Kolumbus erste Reise nach Amerika - mit Glossar
Die erste Reise nach Amerika
Am 3. August des Jahres 1492 stach Christoph Kolumbus mit seinen drei Schiffen, der «Santa Maria», der «Pinta» und der «Niña» von Palos aus in See. Man nahm Kurs auf die Kanarischen Inseln, bewegte sich also auf seit anderthalb Jahrhunderten bekannter Route und vermied so die widrigen Winde des Nordatlantiks. Auf den Kanaren hielt man sich während vier Wochen auf, um das Steuerruder der «Pinta» zu reparieren, das Takelwerk der «Niña» zu verbessern und Proviant aufzunehmen. Am 6. September ließ Kolumbus die Alte Welt hinter sich zurück und fuhr westwärts.
Während der ersten zehn Tage der Überfahrt wehte ein beständiger Nordostpassat, man kam gut voran, das Wetter war fast immer schön. Der Morgen, schreibt Kolumbus am 16. September ins Bordbuch, sei köstlich und das Wetter erinnere ihn an Apriltage in Andalusien; es fehle bloß der Gesang der Nachtigallen. Man gelangte in die Sargasso-See, so benannt nach dem im Wasser treibenden Tangkraut [Sargassum], das von den Seeleuten fälschlich als Anzeichen nahen Landes gedeutet wurde. Auch Schwärme von Vögeln, die vorüberzogen, schienen darauf hinzuweisen, und Kolumbus, von dessen Zuversicht alles abhing, nährte solche Hoffnungen. Vorübergehend kamen Gegenwinde aus Südwest auf, was Gelegenheit bot, das Gerücht zu zerstreuen, eine Rückfahrt sei unmöglich. Am 25. September glaubte der Kommandant der «Pinta», Martin Alonso Pinzón, Land zu erkennen, und ließ das «Gloria in Excelsis Deo» anstimmen; doch es handelte sich bloß um eine tiefliegende Wolkenbank.
In der Folge begannen die Mannschaften unruhig zu werden und von Rückkehr zu sprechen, hatte man doch bereits zweitausendachthundert Seemeilen zurückgelegt, eine Distanz, die über derjenigen lag, die Kolumbus zwischen den Kanaren und Japan angenommen hatte. Am 7. Oktober nahm Kolumbus eine Kursänderung nach Südwesten vor, ein unplanmäßiger, aber, wie sich erweisen sollte, glücklicher Entschluss. Noch immer war die Gefahr einer Meuterei nicht gebannt, und es bedurfte des taktischen Geschicks des Oberkommandierenden, den schwelenden Widerstand niederzuhalten. Das kritische Datum war der 10. Oktober: Über ein Monat war seit der Abfahrt von den Kanaren verstrichen, und niemand befand sich an Bord, der je eine längere Seereise unternommen hatte. «Nun konnten die Leute», berichtet das Bordbuch, «nicht länger an sich halten, und sie beklagten sich über die lange Reise. Der Admiral aber munterte sie auf, so gut er konnte, und stärkte die Hoffnung auf die Vorteile, die sie zu erwarten hätten.
Klagen, fügte er hinzu, seien nutzlos, er sei nun einmal entschlossen, nach Indien zu gelangen und müsse weiter segeln, bis er es mit Gottes Hilfe gefunden habe.» Es ist wahrscheinlich, dass Kolumbus um dieselbe Zeit seine maßgebenden Begleiter zu einer Beratung zusammenrief und bei ihnen die Erlaubnis einholte, noch während einer letzten Frist von drei Tagen weitersegeln zu dürfen.
Am 11. Oktober kam schwere See auf, und die Anzeichen nahenden Landes wurden deutlicher: Schilfrohre, ein Blütenzweig und ein bearbeiteter Stab trieben vorbei. Die Verzagtheit wich einer erwartungsvollen Spannung.
Kolumbus hielt vom Achterkastell der «Santa Maria» eine Ansprache, forderte die Mannschaft auf, die Nachtwachen besonders sorgfältig einzuhalten, und versprach demjenigen, der zuerst Land sichten würde, zusätzlich zur Prämie von zehntausend Maravedis, welche die Könige ausgesetzt hatten, einen seidenen Rock. Um zehn Uhr nachts, eine Stunde vor Mondaufgang, glaubten Kolumbus und ein Matrose ein Licht zu sehen, das sich wie die Flamme einer Wachskerze auf und nieder bewegte. Um zwei Uhr in der Frühe des 12. Oktober 1492 erspähte der Matrose Rodrigo de Triana vom Bug der «Pinta» aus Land, und Martin Alonso Pinzón, auf den Ruf «Tierra! Tierra!» herbeigeeilt, meldete die Beobachtung durch das Abfeuern eines Kanonenschusses. Die Insel, deren Klippen in einer Distanz von etwa sechs Meilen im Mondlicht aufleuchteten, gehörte zur Gruppe der Bahamas; die Indianer, die sie bevölkerten, nannten sie Guanahani; Kolumbus gab ihr den Namen «San Salvador».
Hier die berühmte Textstelle, welche die Landung beschreibt: «Der Admiral ging mit dem bewaffneten Boot an Land; zusammen mit Martin Alonso Pinzón und Vicente Yánez, dessen Bruder, der Kapitän der «Niña» war. Der Admiral nahm das königliche Banner mit und die beiden Kapitäne zwei Fahnen mit einem grünen Kreuz, die der Admiral als Kennzeichen auf allen seinen Schiffen führte und die die Buchstaben F [Ferdinand] und Y [Ysabella] trugen; über jedem der beiden Buchstaben war eine Krone: der eine stand links, der andere rechts vom waagrechten Balken des Kreuzes.
An Land angekommen, sahen sie Bäume von sehr kräftigem Grün und viele Wasserläufe und allerlei Früchte. Der Admiral rief die beiden Kapitäne und die anderen, die an Land gegangen waren, zu sich; ebenso Rodriego Descovedo, den Notar der Flotte, und Rodrigo Sánchez aus Segovia, und sagte, sie sollten bestätigen und rechtlich bezeugen, dass er vor aller Augen von der Insel Besitz ergriff, wie er es dann auch im Namen des Königs und der Königin, seiner Herren, tat.»
Die Inselbewohner, Angehörige der damals in der Karibik weitverbreiteten Sprachfamilie der Aruak, versammelten sich um die Ankömmlinge und verfolgten das Geschehen mit einer Mischung von Scheu und Neugierde. «Man wird sich», bemerkt Salvador de Madariaga in seiner Kolumbus-Biographie, «kaum einen Vorgang von solch tragischer Ungleichheit zwischen Menschen vorstellen können wie diese Besitzergreifung.» Kolumbus beobachtete die «Indianer», wie er sie nannte, sorgfältig und nicht ohne berechnende Absicht. Von seinen Erfahrungen an der Guineaküste her auf derartige Begegnungen vorbereitet, hatte er billige Tauschartikel wie bunte Mützen und Glasperlen mitführen lassen und stellte mit Interesse fest, wie die Inselbewohner auf den Handel eingingen und ihrerseits bereitwillig von dem wenigen abtraten, was sie besaßen: Wurfspieße, Knäuel von Baumwollfäden, Papageien. «Sie gehen allesamt nackt herum», schreibt Kolumbus, «wie sie ihre Mutter zur Welt gebracht hat, auch die Frauen» - eine Feststellung, die später von den Missionaren, die dem Vernichtungsprozess der indianischen Rasse mit machtlosem Protest folgen mussten, als früher Hinweis auf deren paradiesische Unschuld gedeutet wurde. Aber die Gedanken des Seefahrers gingen in andere Richtung: Er sah vor sich bereits willige Subjekte der Krone, Sklaven und allenfalls Bekehrte. «Sie sind sicher hervorragende Arbeitskräfte», heißt es im Bordbuch, «sie haben einen aufgeweckten Verstand, denn ich sehe, dass sie sehr schnell alles nachsagen können, was man ihnen vorspricht. Außerdem glaube ich, dass man sie leicht zum Christentum bekehren könnte, denn es scheint mir, dass sie noch keine Religion haben. Ich werde, so es Gott gefällt, bei meiner Abfahrt von hier sechs Leute für Eure Hoheit mitnehmen, damit sie spanisch sprechen lernen.»
Quelle: Urs Bitterli: Die Entdeckung Amerikas, München: Beck 2006, S.58-61.
Am 3. August des Jahres 1492 stach Christoph Kolumbus mit seinen drei Schiffen, der «Santa Maria», der «Pinta» und der «Niña» von Palos aus in See. Man nahm Kurs auf die Kanarischen Inseln, bewegte sich also auf seit anderthalb Jahrhunderten bekannter Route und vermied so die widrigen Winde des Nordatlantiks. Auf den Kanaren hielt man sich während vier Wochen auf, um das Steuerruder der «Pinta» zu reparieren, das Takelwerk der «Niña» zu verbessern und Proviant aufzunehmen. Am 6. September ließ Kolumbus die Alte Welt hinter sich zurück und fuhr westwärts.
Während der ersten zehn Tage der Überfahrt wehte ein beständiger Nordostpassat, man kam gut voran, das Wetter war fast immer schön. Der Morgen, schreibt Kolumbus am 16. September ins Bordbuch, sei köstlich und das Wetter erinnere ihn an Apriltage in Andalusien; es fehle bloß der Gesang der Nachtigallen. Man gelangte in die Sargasso-See, so benannt nach dem im Wasser treibenden Tangkraut [Sargassum], das von den Seeleuten fälschlich als Anzeichen nahen Landes gedeutet wurde. Auch Schwärme von Vögeln, die vorüberzogen, schienen darauf hinzuweisen, und Kolumbus, von dessen Zuversicht alles abhing, nährte solche Hoffnungen. Vorübergehend kamen Gegenwinde aus Südwest auf, was Gelegenheit bot, das Gerücht zu zerstreuen, eine Rückfahrt sei unmöglich. Am 25. September glaubte der Kommandant der «Pinta», Martin Alonso Pinzón, Land zu erkennen, und ließ das «Gloria in Excelsis Deo» anstimmen; doch es handelte sich bloß um eine tiefliegende Wolkenbank.
In der Folge begannen die Mannschaften unruhig zu werden und von Rückkehr zu sprechen, hatte man doch bereits zweitausendachthundert Seemeilen zurückgelegt, eine Distanz, die über derjenigen lag, die Kolumbus zwischen den Kanaren und Japan angenommen hatte. Am 7. Oktober nahm Kolumbus eine Kursänderung nach Südwesten vor, ein unplanmäßiger, aber, wie sich erweisen sollte, glücklicher Entschluss. Noch immer war die Gefahr einer Meuterei nicht gebannt, und es bedurfte des taktischen Geschicks des Oberkommandierenden, den schwelenden Widerstand niederzuhalten. Das kritische Datum war der 10. Oktober: Über ein Monat war seit der Abfahrt von den Kanaren verstrichen, und niemand befand sich an Bord, der je eine längere Seereise unternommen hatte. «Nun konnten die Leute», berichtet das Bordbuch, «nicht länger an sich halten, und sie beklagten sich über die lange Reise. Der Admiral aber munterte sie auf, so gut er konnte, und stärkte die Hoffnung auf die Vorteile, die sie zu erwarten hätten.
Klagen, fügte er hinzu, seien nutzlos, er sei nun einmal entschlossen, nach Indien zu gelangen und müsse weiter segeln, bis er es mit Gottes Hilfe gefunden habe.» Es ist wahrscheinlich, dass Kolumbus um dieselbe Zeit seine maßgebenden Begleiter zu einer Beratung zusammenrief und bei ihnen die Erlaubnis einholte, noch während einer letzten Frist von drei Tagen weitersegeln zu dürfen.
Am 11. Oktober kam schwere See auf, und die Anzeichen nahenden Landes wurden deutlicher: Schilfrohre, ein Blütenzweig und ein bearbeiteter Stab trieben vorbei. Die Verzagtheit wich einer erwartungsvollen Spannung.
Kolumbus hielt vom Achterkastell der «Santa Maria» eine Ansprache, forderte die Mannschaft auf, die Nachtwachen besonders sorgfältig einzuhalten, und versprach demjenigen, der zuerst Land sichten würde, zusätzlich zur Prämie von zehntausend Maravedis, welche die Könige ausgesetzt hatten, einen seidenen Rock. Um zehn Uhr nachts, eine Stunde vor Mondaufgang, glaubten Kolumbus und ein Matrose ein Licht zu sehen, das sich wie die Flamme einer Wachskerze auf und nieder bewegte. Um zwei Uhr in der Frühe des 12. Oktober 1492 erspähte der Matrose Rodrigo de Triana vom Bug der «Pinta» aus Land, und Martin Alonso Pinzón, auf den Ruf «Tierra! Tierra!» herbeigeeilt, meldete die Beobachtung durch das Abfeuern eines Kanonenschusses. Die Insel, deren Klippen in einer Distanz von etwa sechs Meilen im Mondlicht aufleuchteten, gehörte zur Gruppe der Bahamas; die Indianer, die sie bevölkerten, nannten sie Guanahani; Kolumbus gab ihr den Namen «San Salvador».
Hier die berühmte Textstelle, welche die Landung beschreibt: «Der Admiral ging mit dem bewaffneten Boot an Land; zusammen mit Martin Alonso Pinzón und Vicente Yánez, dessen Bruder, der Kapitän der «Niña» war. Der Admiral nahm das königliche Banner mit und die beiden Kapitäne zwei Fahnen mit einem grünen Kreuz, die der Admiral als Kennzeichen auf allen seinen Schiffen führte und die die Buchstaben F [Ferdinand] und Y [Ysabella] trugen; über jedem der beiden Buchstaben war eine Krone: der eine stand links, der andere rechts vom waagrechten Balken des Kreuzes.
An Land angekommen, sahen sie Bäume von sehr kräftigem Grün und viele Wasserläufe und allerlei Früchte. Der Admiral rief die beiden Kapitäne und die anderen, die an Land gegangen waren, zu sich; ebenso Rodriego Descovedo, den Notar der Flotte, und Rodrigo Sánchez aus Segovia, und sagte, sie sollten bestätigen und rechtlich bezeugen, dass er vor aller Augen von der Insel Besitz ergriff, wie er es dann auch im Namen des Königs und der Königin, seiner Herren, tat.»
Die Inselbewohner, Angehörige der damals in der Karibik weitverbreiteten Sprachfamilie der Aruak, versammelten sich um die Ankömmlinge und verfolgten das Geschehen mit einer Mischung von Scheu und Neugierde. «Man wird sich», bemerkt Salvador de Madariaga in seiner Kolumbus-Biographie, «kaum einen Vorgang von solch tragischer Ungleichheit zwischen Menschen vorstellen können wie diese Besitzergreifung.» Kolumbus beobachtete die «Indianer», wie er sie nannte, sorgfältig und nicht ohne berechnende Absicht. Von seinen Erfahrungen an der Guineaküste her auf derartige Begegnungen vorbereitet, hatte er billige Tauschartikel wie bunte Mützen und Glasperlen mitführen lassen und stellte mit Interesse fest, wie die Inselbewohner auf den Handel eingingen und ihrerseits bereitwillig von dem wenigen abtraten, was sie besaßen: Wurfspieße, Knäuel von Baumwollfäden, Papageien. «Sie gehen allesamt nackt herum», schreibt Kolumbus, «wie sie ihre Mutter zur Welt gebracht hat, auch die Frauen» - eine Feststellung, die später von den Missionaren, die dem Vernichtungsprozess der indianischen Rasse mit machtlosem Protest folgen mussten, als früher Hinweis auf deren paradiesische Unschuld gedeutet wurde. Aber die Gedanken des Seefahrers gingen in andere Richtung: Er sah vor sich bereits willige Subjekte der Krone, Sklaven und allenfalls Bekehrte. «Sie sind sicher hervorragende Arbeitskräfte», heißt es im Bordbuch, «sie haben einen aufgeweckten Verstand, denn ich sehe, dass sie sehr schnell alles nachsagen können, was man ihnen vorspricht. Außerdem glaube ich, dass man sie leicht zum Christentum bekehren könnte, denn es scheint mir, dass sie noch keine Religion haben. Ich werde, so es Gott gefällt, bei meiner Abfahrt von hier sechs Leute für Eure Hoheit mitnehmen, damit sie spanisch sprechen lernen.»
Quelle: Urs Bitterli: Die Entdeckung Amerikas, München: Beck 2006, S.58-61.
geändert: Sonntag, 12. Oktober 2014, 23:38