Die Vogelbeobachterin
Die Vogelbeobachterin
Jana schaute aus dem Fenster. Auf dem Baum davor, auf einem der oberen Äste, war gerade ein großer Vogel gelandet. Mist, jetzt verdeckten die Blätter das Tier! Jana lehnte sich weiter aus dem Fenster. Da blitzte etwas Blaues zwischen den Blättern auf und war gleich darauf wieder verschwunden. Jana versuchte angestrengt, mehr von dem Vogel zu erblicken, als ein zweiter seiner Art sich auf dem Ast direkt vor ihrem Fenster niederließ.Jana hielt den Atem an. Der Vogel hatte einen rosa-braunen Körper und einen schwarzen Bart. Am schönsten waren die blau schillernden Federn an der Seite. „Jana, das Abendessen ist fertig!”, ertönte die Stimme ihres Vaters. Jana und der Vogel zuckten gleichzeitig zusammen. Das Tier öffnete seine schwarz-weißen Flügel und flog davon.
Jana drehte sich um und stürmte die Treppe zur Küche hinunter. Aufgeregt erzählte sie ihrem Vater von ihrer Entdeckung. „Kennst du einen solchen Vogel?”, wollte sie von ihm wissen. „Ich hab da eine Vermutung”, erwiderte der Vater. „Wenn du magst, schauen wir nach dem Essen im Internet nach.” Jana war begeistert. Sie liebte es, gemeinsam mit ihrem Vater im Internet zu recherchieren, und versuchte deshalb ihr Abendessen möglichst schnell herunter zu schlingen.
Als die Mutter eine Stunde später nach Hause kam, saßen die beiden vor dem Rechner und schauten sich verschiedene Internetseiten zu Vögeln an. „Mutti, ich habe einen Eichelhäher entdeckt! Zwei sogar! Zwei Eichelhäher in dem Baum vor meinem Fenster!” Janas Mutter lachte über so viel Begeisterung ihrer Tochter.
Am nächsten Tag schaute Jana lange aus ihrem Fenster, kein Eichelhäher war zu sehen. Auch am Tag darauf verbrachte sie eine Stunde erfolglos auf ihrem Beobachtungsposten. Am dritten Tag dachte sie kaum noch an die Tiere, als sich zwei Vögel direkt vor ihrem Fenster niederließen. Beide hatten Zweige im Schnabel. „Sie sind zurück und bauen ein Nest”, schoss es Jana durch den Kopf. Schon waren die Vögel im Dickicht der Blätter verschwunden. Doch bald darauf tauchte wieder einer auf, spreizte seine Flügel und flog davon. Wenig später verließ auch der zweite Vogel den Baum. Jetzt war Jana sich sicher, dass die Eichelhäher in dem Baum vor ihrem Fenster brüten würden.
Der Sommer wurde ein ganz toller Sommer. Jana bekam von ihrer Oma ein Fernglas geschenkt, um die Vögel noch besser beobachten zu können. Auch ihre Freunde und Freundinnen kamen nun immer öfter zu Besuch, um einen Blick auf die Tiere zu werfen. Doch so oft sie die erwachsenen Tiere auch sahen, das Wichtigste blieb ihnen leider verborgen. Das Nest mit den Jungen war hinter dichtem Blattwerk versteckt.
An einem Freitag, als Jana von der Schule nach Hause kam, hörte sie ein lautes Vogelschimpfen im Garten. Was war passiert? Ein kleiner Eichelhäher spazierte seelenruhig durch das Gras, während einer der Erwachsenen auf einem niedrigen Ast des Baumes saß und laut schimpfte. Jana war verwirrt. Was mochte das bedeuten?
Plötzlich entdeckte sie die Katze der Nachbarsfrau auf der Gartenmauer. Sehnsüchtig zitternd blickte sie auf den kleinen Vogel, der keine drei Meter von ihr entfernt im Gras spazieren ging.
Dann überstürzten sich die Ereignisse. Mit einem mächtigen Satz schoss die Katze auf den Vogel zu, gleichzeitig stürzte sich der erwachsene Eichelhäher laut schreiend auf die Katze und auch Jana blieb nicht tatenlos. Ohne zu überlegen, hatte sie sich auf die Katze geworfen, diese aber nicht zu fassen gekriegt. Atemlos lag sie nun im Gras. Die Katze war verschwunden. Der große Eichelhäher saß auf der Mauer und beschwerte sich lautstark. Das Junge stand immer noch im Gras. Es flatterte unbeholfen, kam aber nicht richtig von der Erde los. Erstaunt bemerkte Jana, dass der kleine Eichelhäher es zwar irgendwie geschafft hatte, aus dem Nest auf die Erde zu gelangen, nun aber nicht mehr zurück schaffte.
So blieb Jana den ganzen Nachmittag im Garten hocken, um den Vogel zu beschützen und Katzen zu vertreiben. Nach zwei Stunden hatte es der kleine Eichelhäher auf den niedrigsten Ast des Baumes geschafft. Eine halbe Stunde später war er noch höher heraufgeflattert. Jana atmete erleichtert auf und ging ins Haus.
geändert: Donnerstag, 19. Januar 2012, 14:22